Entstehung und Grenzen des Geldwesens

Erik Leyers,
Berichte aus der Volkswirtschaft, Aachen: Shaker, 2000.

Kurzzusammenfassung

Dieser Beitrag präsentiert eine Sicht über die Herausbildung des Geldes und die Grenzen geldvermittelten Austausches, welche die klassischen Vorstellungen relativiert und in wesentlichen Punkten ergänzt. Nach klassischer Vorstellung bildet sich in einem System des Naturaltausches ein Gut als bevorzugtes Tauschgut heraus. Daraus entwickelt sich ein allgemeines Tauschmittel und schließlich Geld als Tauschmittel, Recheneinheit und Wertaufbewahrungsmittel. Der Naturaltausch selbst bildet sich naturwüchsig aus der vorgängigen natürlichen Neigung der Menschen zu feilschen und zu tauschen (Adam Smith) oder einfach aus individueller Vorteilssuche (Carl Menger).
Gemäß dieser klassischen Vorstellung über die Bildung des Geldwesens ist verwunderlich, daß in vielen Gesellschaften die gesellschaftliche Arbeitsteilung nicht über Tauchprozesse koordiniert wird und sich Geld nicht als universelles Zahlungsmittel herausgebildet hat. Vom Gesichtspunkt der Institutionenkonkurrenz her betrachtet hätte sich ja in diesen Gesellschaften ebenfalls ein geldvermitteltes Marktsystem herausbilden müssen. Tatsächlich zeigt sich aber in diesen teilweise sehr alten Gesellschaften keinerlei Tendenz zu einer „Monetisierung“ ökonomischer Koordinationsmechanismen.
Auch in modernen Gesellschaften sind viele Bereiche der Arbeitsteilung der marktvermittelten monetären Koordinierung entzogen: Familien und Unternehmungen sind durch die Unterdrückung interner Märkte charakterisiert. In der modernen Institutionenökonomik wird diese partielle Unterdrückung von Marktprozessen mit Effizienzwirkungen begründet: Nicht-marktmäßige Koordinationsmechanismen werden sich gemäß dieser Sicht in der Institutionenkonkurrenz gegenüber Marktlösungen auch und gerade in einer Marktwirtschaft etablieren und behaupten, wenn sie leistungsfähiger sind als Marktlösungen.
Diese Überlegungen widersprechen der Sicht von Menger und Jevons, lassen sich aber aus der in diesem Buch dargelegten Sicht über die Grenzen geldvermittelten Austausches verstehen. Die Arbeit bringt außerdem eine Übersicht über anthropologische Befunde, die verdeutlichen, daß sowohl in „primitiven“ (d.h. exotischen) Gesellschaften wie auch im mittelalterlichen Feudalwesen die gesellschaftliche Arbeitsteilung nicht über den Markt gesteuert wird, sondern wesentlich über Tradition oder Befehl. Neuere Diskussionen über Reziprozität, wie sie in der Institutionenökonomik vorgetragen wurden, werden im Sinne von nicht-marktmäßigen, geldlosen Koordinationsformen auch im Rahmen der modernen Marktwirtschaft für die Geldtheorie fruchtbar gemacht.
In der Verknüpfung traditioneller geldtheoretischer Gedanken mit institutionenökonomischen und anthropologischen Argumenten wird sie auch Lesern wichtige Anregungen und Denkanstösse geben, die an grundsätzlichen Aspekten ökonomischer Phänomene interessiert sind.
 

 






 

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