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Der am 18. Dezember 1844 im nordbayerischen Aschaffenburg in eine große
deutschkatholische Intellektuellenfamilie mit italienischen Wurzeln geborene Lujo Brentano avancierte zu einem der bedeutendsten,
einflussreichsten und sozialpolitisch engagiertesten
Wirtschaftswissenschaftler und Sozialreformer seiner Zeit.
Nach dem Abitur, er besuchte die Gymnasien in
Aschaffenburg und Augsburg, besuchte Lujo Brentano 1861 zunächst das
berühmte "Trinity College" in Dublin, Irland, an welchem er ein Jahr lang
Vorlesungen hörte. Zurückgekehrt nach Deutschland, studierte er an den
Universitäten von Münster, München, Heidelberg, Würzburg, Göttingen und
Berlin. In Heidelberg promovierte Brentano zum Doktor der Rechte (Dr. iur.)
und in Göttingen zum Doktor der Nationalökonomie (Dr. rer. pol.). Nach
seinem Studium arbeitete er im Königlichen Statistischen Seminar zu Berlin.
Brentano begleitete dessen Direktor, Dr. Ernst Engel (Statistiker und
Erschaffer des berühmten Engelschen Gesetzes und der Engelkurve), 1868 auf eine seiner
Reisen nach England. Während dieser Reise widmete sich Lujo Brentano dem
Studium der englischen Arbeiterverhältnisse, namentlich der Gewerkvereine.
Die Frucht dieses Schaffens ist eines seiner bekanntesten Werke: "Die
Arbeitergilden der Gegenwart", Leipzig 1871-72.
1872 wurde er zum außerordentlichen, 1873 zum
ordentlichen Professor der Staatswissenschaften an der Universität Breslau
ernannt. 1882 folgte er dem Ruf an die Universität Straßburg. Weitere
Professuren folgten an den Universitäten in Wien und Leipzig, bis er
zuletzt als Professor und Inhaber dieses Lehrstuhls von 1891-1914 an der
Ludwig-Maximilians-Universität in München tätig war.
Lujo Brentano war einer der wichtigsten
Vertreter der Jüngeren Historischen Schule. Zusammen mit den Ökonomen Gustav Schmoller und Adolph Wagner gründete
er den "Verein für Socialpolitik" (1873). Dessen Mitglieder,
unter ihnen Wissenschaftler, Politiker, Geistliche, Journalisten und
Arbeitgeber, fordern vom Staat ein Eingreifen in die Einkommensentwicklung,
die Verhinderung liberaler Auswüchse, eine wirksamere Fabrikgesetzgebung,
einen stärkeren Einfluss der Arbeitnehmer auf den Arbeitsvertrag, die
Verbesserung der Wohnverhältnisse und eine höhere Volksbildung. Der Verein brachte Brentano
und seinen Kollegen die Bezeichnung "Kathedersozialist" ein.
Während Schmoller und Wagner zu den konservativen Vertretern des Vereins
zählten, stellte Brentano das Haupt der liberalen Richtung dar, worin er
durch die junge Generation der Nationalökonomen Unterstützung erhielt. Nach
starken Spannungen trat Lujo Brentano schließlich aus dem, von ihm
mitbegründeten, Verein aus.
Durch seine Funktion als Lehrer
und Sozialreformer hatte er sowohl großen Einfluss auf die soziale
Marktwirtschaft als auch auf führende Politiker der Gründungsphase der
Bundesrepublik Deutschland, so zählte beispielsweise der ehemalige
Bundespräsident und Nationalökonom Theodor Heuss zu seinen Schülern.
Im hohen Alter von 87 Jahren starb Lujo Brentano am 9. September 1931 in München. |