Meine Ansicht

 

"Keynes Theorie ist gescheitert."

Keynes hat in seinem Buch The General Theory of Employment, Interest, and Money (1936) die These entwickelt, daß in einer Marktwirtschaft bei völlig flexiblen Preisen keine Tendenz zur Vollbeschäftigung entsteht, sondern im Prinzip bei jedem Beschäftigungsniveau ein stabiles Gleichgewicht eintreten kann. Das Vollbeschäftigungsgleichgewicht ist nur ein Spezialfall - deshalb der Buchtitel "Allgemeine Theorie..."


Die Begründung dieser These ist stichhaltig. Der einzige mir bekannte
akzeptable Einwand stammt von Pigou, ist aber anerkanntermaßen nicht wirtschaftspolitisch relevant. Außerdem gibt es neuere Theorien, die auf andere Weise zur Keynes'schen These führen, daß Arbeitslosigkeit sich als Gleichgewichtsphänomen etablieren kann. Auf theoretischer Ebene ist diese These nicht zu widerlegen.

 

Auf empirischer Ebene spricht die ständig zunehmende Arbeitslosigkeit der letzten Jahrzehnte - trotz allgemeiner "Flexibilisierung" - eher für als gegen die Keynes'sche Sicht.

 

Keynes hat allerdings eine Therapie gegen Arbeitslosigkeit vorgeschlagen, die zwar in dem Sinne funktioniert, daß sie die Beschäftigung steigert, aber deshalb abgelehnt werden muß, weil sie zu Inflation und damit zu einer Zerstörung wichtiger institutioneller Grundlagen der Marktwirtschaft führt: Staatsverschuldung.


In diesem Punkt war Keynes zu optimistisch. Er hatte geglaubt, daß Inflation erst in der Nähe der Vollbeschäftigung auftritt und nicht schon bei Massenarbeitslosigkeit. Tatsächlich wird aber eine Nachfragesteigerung (egal wie finanziert)
auch schon bei hoher Arbeitslosigkeit zu Inflationierung führen.


Übrigens haben die Marktfundamentalisten (die "Neuen klassischen Ökonomen")
die These übernommen, daß erst bei Vollbeschäftigung Inflation einsetzt. Was bei Keynes falsch ist, ist auch bei ihnen falsch, nur was bei Keynes richtig ist - die These, daß es keine Tendenz zur Vollbeschäftigung geben muß - haben sie nicht übernommen. Im Gegenteil: Sie setzen bei ihren Analysen als Annahme voraus, daß in einer Marktwirtschaft eine automatische Tendenz zur Vollbeschäftigung besteht.

 

Zusammenfassend kann man sagen: Keynes' Diagnose ist richtig, Keynes' Therapie funktioniert, hat aber inakzeptable Nebenwirkungen. Wir müssen entweder eine neue Therapie entwickeln oder die Nebenwirkungen expansiver Wirtschaftspolitik durch flankierende Maßnahmen unter Kontrolle halten.
 

 

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April 2003 

 



 

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