Meine Ansicht

 

"Um die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen, müssen die Lohnnebenkosten gesenkt werden."

Diese These ist abwegig. Die Lohnnebenkosten haben nichts mit der Arbeitslosigkeit zu tun. Es mag aus anderen Gründen (Bekämpfung der Schwarzarbeit, Allokationsgründe etc.) sinnvoll sein, die Lohnnebenkosten zu senken. Zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit tragen solche Maßnahmen aber nicht bei.

 

Was die Arbeitnehmer betrifft, so bedenke man nur, daß die Kaufkraft des Netto-Stundenlohns - also des Lohnes abzüglich der Lohnnebenkosten und Steuern - seit 1950 beträchtlich gestiegen ist. Es kann deshalb nicht behauptet werden, daß die Arbeitsanreize  zu gering seien. Aber selbst wenn die Arbeitsanreize  zu gering wären (z.B. im Vergleich zur Sozialhilfe) und durch eine Senkung der Lohnnebenkosten gesteigert werden könnten, würde dies nicht die Arbeitslosigkeit verringern sondern höchstens erhöhen.

 

Was die Unternehmungen betrifft, so geht es für diese um Konkurrenzfähigkeit. Zwar bedeutet Kostensenkung für eine einzelne Unternehmung, daß sie die Preise senken und mehr absetzen kann (und daß entsprechend die Konkurrenten weniger absetzen können). Wenn aber alle Unternehmungen Kostenentlastungen erhalten, wirkt das genau so wie eine allgemeine Produktivitätssteigerung, die dann in Preissenkungen weitergegeben wird und keine Beschäftigungsänderung bedeutet. Wenn das nicht so wäre, müßten wir eine Super-Beschäftigung haben, denn seit 1950 ist die Produktivität massiv gestiegen!

 

Man könnte nun sagen, daß die Unternehmungen Löhne zahlen müssen, die von den Gewerkschaften bestimmt und viel zu hoch sind.  Das Argument ist nun aber total falsch, weil eine Senkung der Lohnnebenkosten eher zu höheren als zu geringeren Lohnkosten führen wird:
 

  • Wenn die Gewerkschaften die Lohnsteigerungen verursachen (was wohl eher nicht zutrifft): Durch eine Senkung der Lohnnebenkosten wird erreicht, daß es sich für die Gewerkschaften in verstärktem Maße lohnt, aggressiv zu verhandeln, denn jede Lohnkonzession der Unternehmer setzt sich dann zu einem größeren Teil in direkte Nettolohnerhöhungen für die Arbeiter um. Wenn also die Ursache der Arbeitslosigkeit in dem Tarifsystem der Bundesrepublik liegt, verschärft man die Probleme durch Senkung der Lohnnebenkosten.
     

  • Wenn Unternehmungen aus personalpolitischen Gründen hohe Löhne zahlen (z. B. um besser qualifizierte Mitarbeiter zu gewinnen oder die Fluktuation zu bremsen, sogenannte "Effizienzlöhne"), werden diese Zahlungen durch Senkung der Lohnnebenkosten effektiver gemacht und damit erhöht. Damit vergrößert sich der Anreiz für jede einzelne Unternehmung, höhere außertarifliche Zulagen zu bieten. Das erhöht volkswirtschaftlich die Lohnkosten.
     

In beiden Fällen wird durch Senkung der Lohnnebenkosten der Lohndruck verschärft. Das führt zu Kostensteigerungen, zu Preissteigerungen und schließlich zu restriktiven Maßnahmen der Geldpolitik, was die Arbeitslosigkeit dann letzten Endes erhöht.
 

Wenn allerdings Lohnnebenkosten "gesenkt" werden, indem die Lohnempfänger verpflichtet werden, die entsprechenden Zahlungen nunmehr privat zu leisten (z. B bei Kranken- und Alterversicherung), so ändert das ökonomisch nichts, wie auch jedem Laien einsichtig sein dürfte. Derartige Maßnahmen zu "Senkung" der Lohnnebenkosten sind reine Augenwischerei.

 

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April 2003, November 2003

 



 

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