Meine Ansicht

"Zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit darf sich der Staat selbst bei Arbeitslosigkeit nicht verschulden, denn dies würde zukünftige Generationen belasten."
 

Diese These ist  völlig irreführend.

  1. Wenn der Staat bei Arbeitslosigkeit Kredite aufnimmt und Ausgaben tätigt, führt das zu einer Verbesserung  der Lebensbedingungen zukünftiger Generationen und nicht zu einer Verschlechterung, und zwar aus zwei Gründen:

    Erstens wird durch eine Erhöhung der Güternachfrage die Arbeitslosigkeit reduziert und die Beschäftigung gesteigert. Damit wird der innerbetriebliche Qualifikationsprozess verbessert. Die zukünftigen Generation wird also besser qualifiziert und in Zukunft produktiver sein.

    Zweitens wird bei Erhöhung der Güternachfrage die Produktion erhöht. Dies führt auch zu verstärkter Investitionstätigkeit. Damit wird der Produktionsapparat verbessert, der in der Zukunft zur Verfügung steht. Dies gilt auch, wenn der Staat die Kredite rein konsumtiv einsetzt, aber natürlich noch mehr, wenn die Ausgaben investiv sind  (Bildung, Infrastruktur).
     

  2. Die Kredite, die der Staat heute aufnimmt und deren Rückzahlung er später durch Steuererhöhungen finanziert, werden an die späteren Generationen ausgezahlt. Staatsverschuldung führt also zu einer Umverteilung bei zukünftigen Generationen, aber nicht zu einer Belastung zukünftiger Generationen. Was der Staat später auszahlt, kommt auch später jemandem zugute. Die zukünftige Generation muß mehr Steuern zahlen und bekommt in gleichem Maße erhöhte Rückzahlungen. Allerdings verfügt sie dann über eine bessere Ausbildung und einen besseren Produktionsapparat.
     

Staatsverschuldung bei Arbeitslosigkeit verbessert also die Situation sowohl der gegenwärtigen wie auch der zukünftigen Generationen!

 

Wenn unsere Politiker bei Arbeitslosigkeit die Staatsausgaben senken, stiften sie folgende Schäden:

  1. Sie machen prozyklische Konjunkturpolitik. Das ist das Gegenteil von sinnvoller Politik, denn so verstärkt man Konjunkturschwankungen, statt sie zu dämpfen. Sinnvolle Politik sollte antizyklisch (dämpfend) oder, wenn das nicht geht, konjunkturneutral sein, also Ausgaben tätigen, die den Staatseinnahmen bei Vollbeschäftigung entsprechen. Durch Verstärkung der Konjunkturschwankungen erzielt man im Schnitt eine höhere Arbeitslosigkeit als bei einem konjunkturneutralen Haushalt. Es gibt natürlich auch keinen Grund, bei wachsendem Sozialprodukt die wirtschaftliche Aktivität des Staates zu verringern und etwa die Ausgaben für Schulen und Polizei zu senken.
     

  2. Sie erzeugen unnötige Verteilungskonflikte, die Ressourcen binden und schaffen Investitionsruinen bei Investitionen in Humankapital, Sachkapital und Infrastruktur mit, zynisch gesprochen, entsprechenden Entsorgungsproblemen.
     

  3. Als wichtigstes: Durch die Konflikte, die bei diesen unsinnigen Konsolidierungs-maßnahmen entstehen, lenken die Politiker (wie schon bei der Hartz-Reform oder der Agenda 2010) von den wirklichen Problemen ab. Man zeigt Aktionismus unabhängig davon, ob die Maßnahmen sinnvoll sind oder nicht, und es wird vergessen, dass man eigentlich die Beschäftigung steigern möchte. Dafür ist die Haushaltskonsolidierung offensichtlich schädlich. Die Verteilungskämpfe und der Aktionismus vernebeln die Hauptproblematik.
     

Der Konsolidierungsbemühungen sind nicht nur ökonomisch sondern auch politisch schädlich, weil sie von der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit ablenken.
 

Allerdings muss man sagen, dass eine Beschäftigungsexpansion durch zusätzlich Staatsausgaben auf ein gefährliches Problem trifft: Bei jeder Beschäftigungssteigerung erleben wir Lohnsteigerungen und dadurch induzierte Preissteigerungen, die dann die Zentralbank zu restriktiven Maßnahmen veranlasst. Eine erfolgreiche Beschäftigungspolitik muss solche Lohnsteigerungen vermeiden, sonst führt sie in geldpolitische Restriktion. Das gilt aber für jede Beschäftigungssteigerung, egal ob durch Staatsausgaben, Investitionsnachfrage oder Auslandsnachfrage induziert, ist also kein Nachteil der Staatsverschuldung bei Arbeitslosigkeit sondern jeder erfolgreichen Beschäftigungspolitik (Siehe auch hier.)

 

Nachwort zum Zusammenbruch des Maastricht-Abkommens (26.11.2003)
 

Der Zusammenbruch des Maastricht-Abkommens ermöglicht eine aktive Beschäftigungspolitik. Es ist zu erwarten, daß die Beschäftigungslage in Europa sich verbessert, nicht nur wegen einer Expansion der Binnennachfrage, sondern auch wegen einer Schwächung des Euro. (Die Lage wird ähnlich der in den USA mit hoher Staatsverschuldung und massivem Wachstum, allerdings mit einer deutlich höheren Sparquote.)
 

Zu befürchten ist allerdings ein Inflationsschub zum Ende des nächsten Jahres, der dann restriktive Maßnahmen der EZB nötig macht. Dann bekommen wir wieder einen Schub Arbeitslosigkeit und schließlich Arbeitslosigkeit auf einem höherem Niveau als jetzt. Um dies zu verhindern ist es absolut dringlich, jetzt schon Maßnahmen zur Eindämmung der Inflation zu ergreifen, die nicht wieder über Nachfragedämpfung zur Arbeitslosigkeit führen.
 

Ein  Appell an Lohnzurückhaltung oder irgendwelche Abkommen fruchten nicht. Einfach zu sagen: "Die Lohnabschlüsse müssen niedriger sein!" setzt die Marktkräfte nicht außer Kraft.  Die Lohnentwicklung läßt sich durch Zurückhaltung der Gewerkschaften nicht dämpfen. Jede Form der Lohnkontrolle oder eines Lohnstopps scheint illusorisch. Löhne sind noch viel schwerer zu kontrollieren als Preise. Ein Vorschlag, anders als durch Arbeitslosigkeit eine inflationsneutrale Lohnentwicklung zu erzeugen, ist Indexierung: Alle Arbeitsverträge werden in einer Lohneinheit abgeschlossen. Der Wechselkurs zwischen der Lohneinheit und dem Euro wird durch die Bundesbank festgelegt. Dann läßt sich das Geldlohnniveau ohne Arbeitslosigkeit steuern und Staatsausgaben können zur Beschäftigungssteigerung sinnvoll eingesetzt werden; jedenfalls muß zur Inflationsbekämpfung nicht Arbeitslosigkeit erzeugt werden.

 

November 2003

 

 

 

 

PS: Hier war ich zu optimistisch. Eine expansive Politik ist nicht betrieben worden. Erst jetzt setzt spontan ein Aufschwung ein, der an sich früher hätte initiiert werden können. Ich erwarte aber ansonsten den oben skizzierten Verlauf und die gleichen Probleme.

 

Mai 2007

 

Nachtrag zur Theorie der Staatsverschuldung

 

In meinem Beitrag "Public Debt as Private Wealth: Some Equilibrium Considerations", Metroeconomica 57(2), S.  494-520. habe ich gezeigt, daß im Normalfall ein nicht ausgegelichener Staatshaushalt (also Staatsverschuldung oder Staatsüberschüsse) erforderlich ist, um makroökonomische Stabilität zu gewährleisten. Außerdem habe ich (in Anschluß an Evsey Domar) gezeigt, daß eine Staatsverschuldung, die zur Beschäftigungsstabilisierung dient, niemals explosiv wachsen kann. Der Originalartikel ist elektronisch hier  verfügbar. Eine Vorfassung gibt es hier , eine nicht autorisierte deutsche Übersetzung hier.

 

Mai 2007

 

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