

Meine
Ansicht
"Zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit darf sich der Staat
selbst bei Arbeitslosigkeit nicht verschulden, denn dies würde zukünftige
Generationen belasten."
Diese These ist völlig
irreführend.
-
Wenn der Staat bei
Arbeitslosigkeit Kredite aufnimmt und Ausgaben tätigt, führt das zu einer
Verbesserung der Lebensbedingungen zukünftiger Generationen und nicht zu
einer Verschlechterung, und zwar aus zwei Gründen:
Erstens wird durch eine Erhöhung der Güternachfrage die Arbeitslosigkeit
reduziert und die Beschäftigung gesteigert. Damit wird der innerbetriebliche
Qualifikationsprozess verbessert. Die zukünftigen Generation wird also besser
qualifiziert und in Zukunft produktiver sein.
Zweitens wird bei Erhöhung der Güternachfrage die Produktion erhöht. Dies
führt auch zu verstärkter Investitionstätigkeit. Damit wird der
Produktionsapparat verbessert, der in der Zukunft zur Verfügung steht. Dies
gilt auch, wenn der Staat die Kredite rein konsumtiv einsetzt, aber natürlich
noch mehr, wenn die Ausgaben investiv sind (Bildung, Infrastruktur).
-
Die Kredite, die der Staat heute aufnimmt und
deren Rückzahlung er später durch Steuererhöhungen finanziert,
werden an die späteren Generationen ausgezahlt. Staatsverschuldung führt also
zu einer Umverteilung bei zukünftigen Generationen, aber nicht zu einer
Belastung zukünftiger Generationen. Was der Staat später auszahlt, kommt auch
später jemandem zugute. Die zukünftige Generation muß mehr
Steuern zahlen und bekommt in gleichem Maße erhöhte Rückzahlungen. Allerdings
verfügt sie dann über eine bessere Ausbildung und einen besseren
Produktionsapparat.
Staatsverschuldung bei Arbeitslosigkeit verbessert also die Situation
sowohl der gegenwärtigen wie auch der zukünftigen Generationen!
Wenn unsere Politiker bei Arbeitslosigkeit die
Staatsausgaben senken, stiften sie folgende Schäden:
-
Sie machen prozyklische Konjunkturpolitik. Das
ist das Gegenteil von sinnvoller Politik, denn so verstärkt man
Konjunkturschwankungen, statt sie zu dämpfen. Sinnvolle Politik sollte
antizyklisch (dämpfend)
oder, wenn das nicht geht, konjunkturneutral sein, also Ausgaben tätigen, die
den Staatseinnahmen bei Vollbeschäftigung entsprechen. Durch Verstärkung der
Konjunkturschwankungen erzielt man im Schnitt eine höhere Arbeitslosigkeit
als bei einem konjunkturneutralen Haushalt. Es gibt natürlich auch keinen
Grund, bei wachsendem Sozialprodukt die wirtschaftliche Aktivität des Staates
zu verringern und etwa die Ausgaben für Schulen und Polizei zu senken.
-
Sie erzeugen unnötige Verteilungskonflikte, die
Ressourcen binden und schaffen Investitionsruinen bei Investitionen in
Humankapital, Sachkapital und Infrastruktur mit, zynisch gesprochen,
entsprechenden Entsorgungsproblemen.
-
Als wichtigstes: Durch die Konflikte, die bei
diesen unsinnigen Konsolidierungs-maßnahmen entstehen, lenken die Politiker
(wie schon bei der Hartz-Reform oder der Agenda 2010) von den wirklichen
Problemen ab. Man zeigt Aktionismus unabhängig davon, ob die Maßnahmen sinnvoll
sind oder nicht, und es wird vergessen, dass man eigentlich die Beschäftigung
steigern möchte. Dafür ist die Haushaltskonsolidierung offensichtlich
schädlich. Die Verteilungskämpfe und der Aktionismus vernebeln die
Hauptproblematik.
Der Konsolidierungsbemühungen sind nicht nur
ökonomisch sondern auch politisch schädlich, weil sie von der Bekämpfung der
Arbeitslosigkeit ablenken.
Allerdings muss man sagen, dass eine
Beschäftigungsexpansion durch zusätzlich Staatsausgaben auf ein gefährliches
Problem trifft: Bei jeder Beschäftigungssteigerung erleben wir Lohnsteigerungen
und dadurch induzierte Preissteigerungen, die dann die Zentralbank zu restriktiven
Maßnahmen
veranlasst. Eine erfolgreiche Beschäftigungspolitik muss solche Lohnsteigerungen
vermeiden, sonst führt sie in geldpolitische Restriktion. Das gilt aber für
jede Beschäftigungssteigerung, egal ob durch Staatsausgaben,
Investitionsnachfrage oder Auslandsnachfrage induziert, ist also kein Nachteil
der Staatsverschuldung bei Arbeitslosigkeit sondern jeder erfolgreichen
Beschäftigungspolitik (Siehe auch
hier.)
Nachwort zum Zusammenbruch des
Maastricht-Abkommens (26.11.2003)
Der Zusammenbruch des Maastricht-Abkommens
ermöglicht eine aktive Beschäftigungspolitik. Es ist zu erwarten, daß die
Beschäftigungslage in Europa sich verbessert, nicht nur wegen einer Expansion der
Binnennachfrage, sondern auch wegen einer Schwächung des Euro. (Die Lage wird
ähnlich der in den USA mit hoher Staatsverschuldung und massivem Wachstum,
allerdings mit einer deutlich höheren Sparquote.)
Zu befürchten ist allerdings ein Inflationsschub
zum Ende des nächsten Jahres, der dann restriktive Maßnahmen der EZB nötig
macht. Dann bekommen wir wieder einen Schub Arbeitslosigkeit und schließlich
Arbeitslosigkeit auf einem höherem Niveau als jetzt. Um dies zu verhindern ist
es absolut dringlich, jetzt schon Maßnahmen zur Eindämmung der Inflation zu
ergreifen, die nicht wieder über Nachfragedämpfung zur Arbeitslosigkeit führen.
Ein Appell an Lohnzurückhaltung oder
irgendwelche Abkommen fruchten nicht. Einfach zu sagen: "Die Lohnabschlüsse
müssen niedriger sein!" setzt die Marktkräfte nicht außer Kraft. Die
Lohnentwicklung läßt sich durch Zurückhaltung der Gewerkschaften nicht dämpfen.
Jede Form der Lohnkontrolle oder eines Lohnstopps scheint illusorisch. Löhne
sind noch viel schwerer zu kontrollieren als Preise. Ein Vorschlag, anders als
durch Arbeitslosigkeit eine inflationsneutrale Lohnentwicklung zu erzeugen, ist
Indexierung: Alle Arbeitsverträge werden in einer Lohneinheit abgeschlossen. Der
Wechselkurs zwischen der Lohneinheit und dem Euro wird durch die Bundesbank
festgelegt. Dann läßt sich das Geldlohnniveau ohne Arbeitslosigkeit steuern und
Staatsausgaben können zur Beschäftigungssteigerung sinnvoll eingesetzt werden;
jedenfalls muß zur Inflationsbekämpfung nicht Arbeitslosigkeit erzeugt werden.
November 2003
PS: Hier war ich zu
optimistisch. Eine expansive Politik ist nicht betrieben worden. Erst jetzt
setzt spontan ein Aufschwung ein, der an sich früher hätte initiiert werden
können. Ich erwarte aber ansonsten den oben skizzierten
Verlauf und die gleichen Probleme.
Mai 2007
Nachtrag zur Theorie der
Staatsverschuldung
In meinem Beitrag "Public Debt as Private Wealth: Some Equilibrium Considerations",
Metroeconomica 57(2), S. 494-520.
habe ich gezeigt, daß im Normalfall ein nicht ausgegelichener Staatshaushalt
(also Staatsverschuldung oder Staatsüberschüsse) erforderlich ist, um
makroökonomische Stabilität zu gewährleisten. Außerdem habe ich (in Anschluß an
Evsey Domar) gezeigt, daß
eine Staatsverschuldung, die zur Beschäftigungsstabilisierung dient, niemals
explosiv wachsen kann. Der Originalartikel ist
elektronisch hier
verfügbar. Eine Vorfassung gibt es hier
,
eine nicht autorisierte deutsche Übersetzung hier .
Mai 2007
zurück

| | | | | | |
|

|
 |