Meine Ansicht"Viele Arbeitslose finden keine Stelle, weil sie zu gering qualifiziert sind"Wie schon an anderer Stelle bemerkt ist es klar,
dass bei einer zu geringen Zahl von
Arbeitsplätzen bevorzugt die besser
qualifizierten Bewerber eingestellt werden und
dementsprechend die weniger
qualifizierten Bewerber leer ausgehen. Die Beschäftigungsaussichten des
einzelnen Arbeitsuchenden sind im wesentlichen eine Frage seiner relativen
und nicht seiner absoluten Qualifikation. Wenn sich jemand höher
qualifiziert und deshalb eine Stelle bekommt, verdrängt er damit einen anderen
Bewerber, der sonst eine Stelle erhalten hätte. Tatsächlich ist die Qualifikationsstruktur unserer
Arbeitslosen aber deutlich besser als die in
den USA (oder auch Großbritannien).
Die wichtigsten und genauesten Untersuchungen zu
diesem Thema stammen von
Richard Freeman und Ronald Schettkat und belegen dies
eindrucksvoll. Ein
Vergleich der Qualifikationsstruktur von Beschäftigten Arbeitslosen findet
sich in der folgenden Graphik.
Verwendet man die OECD-Daten, so ergibt sich ein ähnliches - wenn auch etwas weniger klares Bild. Die OECD-Daten lassen nämlich keine saubere Berechnung der Anteile qualifikationsspezifischer Gruppen an der gesamtwirtschaftlichen Arbeitslosigkeit zu (Daten zur Qualifikation der Labour Force sind nur geschlechts-unspezifisch, die qualifikationsspezifischen Arbeitslosigkeitsraten jedoch nur geschlechts- spezifisch angegeben). Daher muss hier eine etwas weniger plastische Darstellung der Qualifikationsstruktur der Arbeitslosigkeit genügen: die qualifikationsspezifischen Arbeitslosigkeitsraten werden jeweils durch die gesamtwirtschaftliche Arbeitslosigkeitsrate geteilt – dieser Quotient lässt sich für verschiedene Volkswirtschaften vergleichen. So ergibt sich beispielsweise, dass bei den Männern die Arbeitslosenquote der Niedrigqualifizierten in Deutschland und USA 2,0 Mal über der gesamtwirtschaftlichen Quote liegt, während dieser Faktor in UK bei 2,3 liegt – Niedrigqualifizierte sind also in Deutschland im Vergleich zu USA und UK nicht in der Arbeitslosigkeit überrepräsentiert. :
Allerdings
muss man diese
Vergleich mit Vorsicht genießen: Im OECD-Vergleich liegt
Deutschland
zwar
hinter den USA und Großbritannien, aber ziemlich weit oben. Die Länder,
in denen
die gering qualifizierten am wenigsten von der Arbeitslosigkeit betroffen sind,
sind
die Türkei, Griechenland, Korea, Portugal, und - an unterster
Stelle - Mexiko. Woran das
genau liegt ist schwer zu sagen. Möglicherweise bedeuten Kategorien wie "Lower Secondary
Education"
überall etwas anderes heißt, und wahrscheinlich ist die statistische Erfassung
von Arbeitslosigkeit in verschiedenen Ländern unterschiedlich. Die
Untersuchungen von Freeman
und Schettkat
stützen sich auf einheitliche Messvorschriften und
vermeiden deshalb diese
Probleme. Es sei vermerkt, daß die OECD-Daten in
gewissem Widerspruch zur überraschenden
Behauptung von Freeman und Schettkat stehen, die Qualifikationsstruktur
der Arbeitslosen
in Deutschland sei ähnlich wie die der Beschäftigten. Wie dem auch sei, die Arbeitslosigkeit in Deutschland ist aber in
keinem Fall auf mangelnde Qualifikation der Arbeitslosen zurückzuführen .
Literaturhinweise OECD: "Education at a Glance",
Quelldaten als Excel-Datei:
Ronald Schettkat: "Reformen in Deutschland: zu wenig, zu spät?", WSI
Nachrichten, 5, 2003, Richard Freeman und Ronald Schettkat, "Skill
Compression, Wage Differentials and
Employment: Germany vs. the US", Working
Paper 7610, National Bureau of Economic
Research, März 2000. Richard Freeman und Ronald Schettkat: "The Role of Wage and Skill Differences
in US-German Employment Differences", Jahrbücher für Nationalökonomie und
Statistik. Juli 1999;
219(1-2): S. 49-66 Richard Freeman und Ronald Schettkat: "Skill Compression, Wage Differentials, and Employment: Germany vs the US", Oxford Economic Papers. Juli 2001; 53(3): S. 582-603
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